Führung in der Bäckerei

Co-Working zur Bildungspolitik

Kreisvorstandssitzung bei der Bäckerei Schwerdtner zusammen mit dem Kreiselternrat Görlitz und dem Sächsischem Lehrerverband im Landkreis Görlitz

Unsere Kreisvorstandssitzung im Mai fand diesmal in einem ganz anderen Rahmen und auf besonderem Terrain statt. Zum ersten Mal tagten wir gemeinsam mit weiteren Gremien, um uns gezielt einem wichtigen Thema zu widmen. Gemeinsam mit dem Kreiselternrat Görlitz und dem Sächsischem Lehrerverband im Landkreis Görlitz haben wir ein Positionspapier mit Maßnahmen aufgestellt, um dem Lehrermangel in der Oberlausitz entgegenzuwirken und den Bildungsstandort in der Oberlausitz zu stärken.

Zu Gast bei der Bäckerei und Konditorei Schwerdtner in Löbau ließ es sich Bäckermeister und Inhaber Wicky Löffler nicht nehmen, uns nach einer spannenden Führung durch die Produktion persönlich in seinem Haus zu begrüßten. Der Familienbetrieb besteht seit 1937 nun in der dritten Generation. Er hat bereits Höhen und Tiefen erlebt, sich aber mit Standorten in Löbau, Görlitz, Zittau und Dresden, mit inzwischen 48 Filialen, behauptet. 482 Mitarbeiter und 32 Lehrlinge sind hier angestellt. Aber auch die heutige Zeit bringt Herausforderungen für das Unternehmen mit sich - Lohnkosten durch den Mindestlohn, die Konkurrenz als Arbeitgeber auf einem Arbeitnehmermarkt, gestiegene Rohstoffkosten und steigende Preise. Wie passend, dass wir eines der aktuellen Grundprobleme am gleichen Abend besprechen. Eine gute Bildung ist eine wichtige Grundlage, dass Unternehmen wie die Bäckerei Schwerdtner langfristig Fachkräfte finden. Im Austausch mit dem Kreiselternrat und den Vertretern der Lehrer haben wir uns deshalb intensiv ausgetauscht und gemeinsame Ansätze erarbeitet.

Wir schlagen u.a. vor:

  • das Lehramtsstudium und die praktische Ausbildung weiter zu regionalisieren
  • die Klassenleiterstunde wieder einzuführen
  • die Bildung an außerschulischen Lernorten zu unterstützen
  • die Verbesserung der digitalen Infrastruktur in der Fläche durch Unterstützung der Schulträger


"Investition in Bildung ist die beste Investition in unsere Zukunft. Sachsen ist seit über 15 Jahren Pisa-Meister. Das sächsische Schulsystem soll auch in Zukunft zu den besten in Deutschland und Europa gehören. Deshalb ist der Austausch mit Lehrern und Eltern - die sich jeden Tag für gute Bildung engagieren - so wichtig. Ich wollte die verschiedenen Akteure in unserem Landkreis zusammen an einen Tisch bringen, um darüber zu sprechen, welche Maßnahmen jetzt notwendig sind. Unternehmer wie Wicky Löffler berichten mir, wie schwierig es inzwischen geworden ist, gut qualifizierte Arbeits- und Fachkräfte zu gewinnen. Noch weniger Schulabbrecher müssen darum unser Ziel sein." begründet unser Kreisvorsitzender und Kreisrat Florian Oest die gemeinsame Sitzung der Verbände.

Die Besetzung offener Lehrer-Stellen in der Oberlausitz aber auch sachsenweit war zuletzt mehrfach Thema der Beteiligungsgremien von Eltern und Lehrkräften gewesen. Die Regierungskoalition im Freistaat hatte die Möglichkeit zur Verbeamtung zuletzt verlängert und die Zahl der Studienplätze generell erhöht. Das Kultusministerium prüft weitere Maßnahmen und hat eine Arbeitszeitstudie in Auftrag gegeben und das Projekt Bildungsland Sachsen 2030 ins Leben gerufen.

„Es geht uns um Bildungsgerechtigkeit für die Kinder und Jugendlichen in der Oberlausitz, die wir gefährdet sehen, wenn zu wenige qualifizierte Bewerber für unsere Region gewonnen werden können. Deswegen wollen wir ein Zeichen setzen, dass die Lehrkräfte hier geschätzt und gebraucht werden.“ fasst Ronald Lindecke, Vorsitzender des Kreiselternrates, das Engagement der Elternvertreter zusammen. „Wir wollen nicht nur anmahnen, sondern konkret etwas zur Verbesserung der Situation beitragen. Unser Landkreis ist attraktiv für angehende Lehrkräfte und kann auch bei der Ausbildung von ihnen noch umfangreicher unterstützend tätig sein.“

Der Tenor des gemeinsamen Punkteplans ist, dass die Attraktivität des Berufs zu wahren, um zeitnah genügend qualifizierte Bewerber für den Beruf gewinnen zu können. So wurden auch die Vorsitzenden der Kreisverbände Löbau-Zittau, Niesky-Görlitz und Weißwasser des Sächsischen Lehrerverbandes in die Vorbereitung einbezogen und nach ihren Vorschlägen befragt. Schon seit längeren wirbt die Interessenvertretung für eine Dezentralisierung der Lehrerausbildung und begleitete die Erklärung der Kultusminister-Konferenz zum Lehrkräftebedarf vom 17.März kritisch.

Sabine Köhler, Vorsitzende des SLV-Kreisverbandes Löbau-Zittau und selbst Förderschullehrerin sieht generellen Unterstützungsbedarf für die Schulen und hatte sich deshalb für einen Ausbau von Schulsozialarbeit, Assistenzsystemen sowie des Projekts „Prävention im Team“ (PiT-Ostsachsen) der Polizei Sachsen stark gemacht. Außerdem erinnerte sie an das Anliegen aus dem Koalitionsvertrag der Sächsischen Regierung, ab dem Schuljahr 2023/2024 beginnend, perspektivisch allen Klassenleiterinnen und Klassenleitern eine Anrechnungsstunde zu gewähren. „Sie wird immer wichtiger, da die Problemlagen durch die Erhöhung der Schülerzahl, Förderbedarfe von Integration und Inklusion oder starke Auffälligkeiten im sozial-emotionalen Bereich weiter zunehmen. Es braucht die notwendige Zeit um individuell zu fördern, Bürokratie zu erledigen, Dinge zu planen oder Problemlagen zu klären.“

Das gemeinsame Beschlusspapier "Dem Lehrermangel in der Oberlausitz umgehend entgegenwirken – Schulen entlasten, Attraktivität erhöhen!" fordert neben der Ausweitung der Bildung an außerschulischen Lernorten, dem produktivem Lernen in Ostsachsen, umfangreichen Ressourcen für den Mehrbedarf an digitaler Technik, auch den weiteren Ausbau der Lehramtsausbildung in der Oberlausitz. Unser Pressesprecher Clemens Kuche, selbst Oberschullehrer, betont hierzu: „Wir bewerten die Eröffnung der Ausbildungsstätte für Grundschulen 2019 in Löbau als einen erfolgreichen Schritt. Angehende Lehrkräfte konnten hier bei uns erfolgreich ins Berufsleben starten. Ich halte es nun für sinnvoll zu prüfen, inwieweit dies auf Förder- und Oberschulen ausgeweitet werden kann. Dafür fand sich im vergangenen Jahr sogar eine Mehrheit im Kreistag nach einen Antrag der CDU-Fraktion. Eine zusätzliche Zusammenarbeit der HSZG mit einer Universität zur Einrichtung von Studiengängen etwa für das Lehramt Förderschule oder MINT-Fächer ist ebenso ein Vorschlag, der weiterverfolgt werden sollte."

Abschließend regt Florian Oest weitere Gespräche und Bemühungen der Politik an und fasst zusammen: "Gute Bildung geht nur mit guten Lehrerinnen und Lehrern, die sich voll und ganz auf ihre Arbeit mit unseren Kindern konzentrieren können. Wir brauchen eine Gesamtstrategie, um den Lehrermangel in der Oberlausitz zu bewältigen. Zudem möchte ich, dass wir den Megatrend Digitalisierung aktiv gestalten. Unsere Schulen müssen personell und technisch noch besser ausgestattet werden. Dafür brauchen wir ein Sonderbudget für Schulträger durch den Bund. Das gemeinsame Positionspapier werden wir in die Gremien der Sächsischen Union einbringen. Den intensiven Austausch mit Lehrern und Eltern setzen wir fort."

Vielen Dank an alle Beteiligten für die konstruktive Zusammenarbeit und die Ideen dazu und an Wicky Löffler für die Einblicke in deine Backstube und die Gastfreundschaft.

Fotos: Rafael Sampedro