Das derzeitige europäische Asylsystem ist gescheitert. In einem Gastbeitrag bei Welt fordern Heiko Teggatz und Florian Oest klare Maßnahmen, um die Migrationspolitik der EU neu zu ordnen.
Die europäische Asyl- und Migrationspolitik steht vor einem Wendepunkt. Die anstehende Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) muss endlich zu einer steuerbaren und humanen Migrationspolitik führen. Migration zu begrenzen und das unkontrollierte Weiterziehen von Flüchtlingen innerhalb der EU zu verhindern, muss unser Ziel sein. Nur so schaffen wir Ordnung, Sicherheit und Fairness. Zugleich müssen wir die Kommunen entlasten und das Vertrauen der Bürger in die Handlungsfähigkeit des Staates stärken.
Das derzeitige europäische Asylsystem ist gescheitert. Es belohnt jene, die es schaffen, europäischen Boden zu erreichen, und bestraft gleichzeitig Mitgliedstaaten, die ihre Grenzen schützen wollen. Die meisten Migranten, die individuell und weitgehend unkontrolliert in die EU einreisen, erhalten am Ende langwieriger Verfahren keinen Schutzstatus. Dennoch bleiben sie nach der Ablehnung häufig in Europa, weil Rückführungen nicht funktionieren.
Diese Lage macht Europa verwundbar. Angesichts zunehmender gesellschaftlicher Spannungen, konkreter Überforderung bei der Integration der vielen Menschen aus fremden Kulturen und externer hybrider Bedrohungen, bei denen Migranten gezielt als Waffe zur Destabilisierung Europas eingesetzt werden, können wir so nicht weitermachen.
Der Grundsatz ist klar: Wer Schutz braucht, erhält ihn. Wer ihn nicht braucht, darf nicht bleiben. Humanität und Ordnung gehören zusammen.
Die folgenden fünf Maßnahmen brauchen wir, um die europäische Migrationspolitik neu zu ordnen.
Erstens: Die GEAS-Reform entschlossen umsetzen. Die anstehende Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems verspricht wichtige Neuerungen: verpflichtende Identifizierungsverfahren, verkürzte Fristen, klarere Zuständigkeiten und eine bessere Registrierung. Doch die Reform darf nicht halbherzig umgesetzt werden. Sie muss zu einer robusten Sicherung der EU-Außengrenzen und einer grundlegenden Neuordnung der Asyl- und Migrationspolitik führen.
Zweitens: Asylverfahren an die Außengrenzen verlagern. Die entscheidende Schwäche des heutigen Systems ist, dass langwierige Asylverfahren erst beginnen, nachdem Migranten bereits EU-Territorium betreten haben. Das muss sich ändern. Wer kein Anrecht auf Asyl hat, muss bereits an der EU-Außengrenze abgewiesen werden. Deshalb müssen die Verfahren auch außerhalb der EU durchgeführt werden.
Drittens: Frontex massiv stärken. Eine zentrale Rolle kommt der europäischen Grenzschutzagentur Frontex zu. Sie muss Außengrenzen effektiv schützen, illegale Grenzübertritte verhindern und Rückführungen organisieren. Frontex darf durch die Mitgliedstaaten nicht länger als Hemmnis und bürokratischer Störer wahrgenommen werden. Frontex muss genauso effizient und robust handeln können wie beispielsweise Polen oder Litauen beim Schutz ihrer Grenzen zu Belarus. Dafür muss die Grenzschutzagentur endlich mit ausreichend Personal, technischen Ressourcen und vor allem mit klarer operativer Hoheit ausgestattet werden.
Viertens: Rückführungen optimal durchsetzen. Unser System funktioniert nur dann, wenn abgelehnte Asylbewerber tatsächlich die Mitgliedstaaten der Europäische Union wieder verlassen. Hier versagt das System bislang auf ganzer Linie. Nur mit einem klaren Kurswechsel und der Einrichtung von „Return Hubs“ kann das Rückführungssystem wirksam gestaltet werden. Diese „Return Hubs“ werden nahe an den Herkunftsregionen eingerichtet, um die Abschiebung abgelehnter Migranten, deren Heimatländer eine Wiederaufnahme verweigern, tatsächlich zu vollziehen. Wir dürfen es nicht akzeptieren, wenn derzeit nur eine von fünf ausreisepflichtigen Personen Europa tatsächlich wieder verlässt.
Fünftens: Legale Zuwanderung für Fach- und Arbeitskräfte ausbauen. Europa und Deutschland sind auf qualifizierte Zuwanderung angewiesen, um den wachsenden Fach- und Arbeitskräftemangel zu bewältigen. Für Fachkräfte aus Drittstaaten bestehen bereits legale und geregelte Wege, um nach Europa zu kommen und hier zu arbeiten.
Entscheidend ist, dass diese Informationen in den Herkunftsregionen, vor allem in Afrika und im Nahen Osten, deutlich vermittelt werden. Illegale Zuwanderung nach Europa ist keine Lösung und führt nicht zum Ziel. Der sichere und erfolgversprechende Weg nach Europa führt über Qualifizierung, die Anerkennung von Abschlüssen, Sprachkenntnisse und legale Einwanderung als Fach- oder Arbeitskraft. Daher braucht es gezielte Informationskampagnen vor Ort. Sie müssen realistische Perspektiven aufzeigen, über legale Migrationswege informieren und junge Menschen ermutigen, sich durch Sprachkurse und berufliche Ausbildung auf diesen Weg vorzubereiten.
Die Reform des europäischen Asylsystems entscheidet über die Frage der Stabilität und Souveränität Europas. Die fünf Handlungsfelder – GEAS-Reform, Asylverfahren an den Außengrenzen, Frontex-Stärkung, konsequente Rückführungen und legale Fach- und Arbeitskräfteeinwanderung – müssen als Gesamtpaket umgesetzt werden. Nur so wird Zuwanderung wieder steuerbar und Europa handlungsfähig.
Deutschland muss dabei eine Führungsrolle übernehmen. Als größter Mitgliedstaat haben wir die Verantwortung, für eine europäische Lösung zu sorgen, die Humanität und Ordnung miteinander verbindet. Die Zeit der halbherzigen Reformen ist vorbei. Europa muss nun zusammenstehen und handeln.
Heiko Teggatz ist stellvertretender Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG). Florian Oest (CDU) ist Mitglied des Deutschen Bundestages und dort ordentliches Mitglied im Innenausschuss.