Tagebau Nochten

Handfest und High-Tech - Vor Ort im Tagebau Nochten

Naturschutz, Kohleausstieg, Versorgungssicherheit, Strukturentwicklung – das sind die Stichworte der energiepolitischen Debatte

Der erste Besuch eines Tagebaus ähnelt dem ersten Besuch des Grand Canyon. Man fährt ganz unspektakulär durch Wälder und dann ist man plötzlich da – und ist erst einmal nur beeindruckt. „Groß“ ist wohl das Wort, das einem sofort einfällt.

„Ja“, stimmt Tagebauleiter Henrik Ansorge zu, „groß ist schon richtig. Unsere Förderbrücken sind die größten beweglichen Industrieanlagen Europas. Aber wir sind nicht nur groß, wir sind auch High-Tech.“

So beginnt der Einstieg in eine 2-Stunden-Tour durch den Tagebau Nochten, der seit vielen Jahrzehnten das Sächsische Kraftwerk Boxberg versorgt.

Der Tagebau Nochten ist ein Braunkohletagebau in der nördlichen Oberlausitz, der von der Lausitz Energie Bergbau AG (LEAG) betrieben wird. Die nackten Zahlen zu Nochten sind eindrucksvoll: Seit 1973 wird aus bis zu 100 Metern Tiefe Kohle gefördert. Insgesamt 27 Km Bandanlagen transportieren den Abraum und bis zu 18 Mio. Tonnen Kohle pro Jahr. Rund 2900 Hektar Fläche wurden bislang bereits rekultiviert.

Aber Zahlen können keinen Eindruck davon vermitteln, wie die Arbeit im Tagebau ist, was die Menschen dort bewegt. Und Zahlen sagen auch nichts darüber aus, was nach dem Tagebau kommt – Stichwort „Rekultivierung“.

Bei meinem Besuch vor Ort gehe ich dieser Frage nach. Ich treffe auf engagierte und motivierte Frauen und Männer, die ein ganz klares Bild von ihrer Arbeit haben und die auch mit Stolz darüber sprechen. Sie machen aber auch kein Geheimnis aus ihren Sorgen.

Naturschutz, Kohleausstieg, Versorgungssicherheit, Strukturentwicklung – alle Stichworte unserer energiepolitischen Debatte sind sehr präsent. Aber ebenso präsent sind auch die Erfahrungen der Vergangenheit.

„Keiner hat die Wendejahre vergessen. In jeder Familie lebt die Erinnerung, dass es hier einen bösen Strukturbruch gab. Das will niemand nochmal erleben“.

So formuliert es Ansorge.

Mehrfach begegnet mir diese Erwartung: Politik muss die Versprechen eines fairen Kohleausstiegs einlösen. Das bedeutet, es muss ausreichend Zeit und finanzielle Unterstützung für die Region und für die Unternehmen geben, damit sie aktiver Teil der Strukturentwicklung sein können.

Die LEAG hat sich als Unternehmen dazu selbst verpflichtet. Das Kohlegeschäft soll bis zum vereinbarten Ende der Kohleverstromung professionell weiter betrieben werden. Die Bergbaufolgelandschaften sollen auf international höchstem Niveau gestaltet werden. Und parallel dazu werden neue Geschäftsfelder entwickelt, die noch vor wenigen Jahren niemand mit einem Braunkohleunternehmen in Verbindung gebracht hätte.

Auf den Flächen der LEAG sollen Erneuerbare Energien genutzt werden. Unser neues Sächsisches Energie und Klimaprogramm und die Empfehlungen des Innovationsbeirats von Ministerpräsident Michael Kretschmer unterstützen das, gerade auch mit Blick auf die Tagebauflächen. Aber auch bei Themen wie Kreislaufwirtschaft, Energieversorgung von Kommunen und klimaneutrale Mobilität mit Wasserstoff geht das Unternehmen gemeinsam mit industriellen Partnern und Kommunen neue Wege.

Auch die bewährte Partnerschaft mit der Bundeswehr und dem Truppenübungsplatz Oberlausitz soll ausgebaut werden. „Da ist in diesem Jahr einiges neu in Bewegung gekommen, was uns stark motiviert und Mut macht“, freut sich Ansorge.

Am Ende der Tour mit dem Allradjeep stehen viele bleibende Eindrücke: Großgerät mit High-Tech, handfeste „Blaumänner“ mit guter Arbeit, vor allem aber dies: Menschen die ihre Zukunft selbst gestalten wollen. In diesem Stil müssen wir mit klugen Ideen und Umsetzungsstärke die Strukturentwicklung im Lausitzer Revier aktiv gestalten. Glück auf!

Fotos: Nikolai Schmidt